Warum Obama seinen Wunschkandidaten als Fed-Vorsitzenden nicht durchbrachte
Die Dinge entwickeln sich zurzeit so gar nicht nach Obamas Willen. Der von ihm ausersehene Nachfolger Ben Bernankes als Chef der Federal Reserve hat seine Kandidatur angesichts des zu erwartenden Widerstands im US-Kongress zurückgezogen. Interessant sind jedoch die wahren Gründe, aus denen sich Larry Summers zum Rückzug gezwungen sah.
Zunächst war Obama mit dem Versuch gescheitert, sich als entschlossener amerikanischer Präsident zu präsentieren, der nicht zögerte, Syrien zu bombardieren – weil Baschar al-Assad angeblich Chemiewaffen gegen sein eigenes Volk eingesetzt habe, wie vom israelischen Geheimdienst behauptet, was jedoch nicht erwiesen ist. Aus dieser Krise geht Russlands
Präsident Putin als Friedenspräsident hervor, der es Obama ermöglichte, die Entscheidung für einen Angriff zurückzunehmen und dabei das Gesicht zu wahren. Obamas großes innenpolitisches Projekt einer obligatorischen allgemeinen Krankenversicherung, die umstrittene »Obamacare«, erweist sich als derart große finanzielle Belastung für kleine und mittlere Unternehmen, dass ernsthaft darüber geredet wird, das Gesetz zurückzunehmen.
Jetzt hat Larry Summers, der sich selbst als Kandidat für den Posten des
Fed-Chefs ins Gespräch gebracht hatte, ganz unerwartet bekannt gegeben, er stehe als Nachfolger Bernankes, der auf Druck Obamas sein Amt zum 31. Januar 2014 aufgeben wird, nicht zur Verfügung. Obama hatte zwei Kandidaten für dieses Amt namentlich genannt, nämlich Summers und
Fed-Vizechefin Janet Yellen. Eine endgültige Entscheidung steht noch aus, aber in Washington ist allgemein bekannt, dass Obama seinen ehemaligen Wirtschaftsberater Summers
zum Chef der mächtigsten Zentralbank der Welt berufen wollte.
Jetzt hat Summers seine Kandidatur offiziell zurückgezogen, nachdem ersichtlich wurde, dass vier Demokraten im Bankenausschuss des Senats offen gegen seine Ernennung opponierten. Summers hätte sich also nicht nur von republikanischer Seite harten Fragen über sein früheres Wirken in Washington stellen müssen. Bedeutsam ist vor allem, um welche Themen es dabei ging.
Architekt der Finanzkrise
Niemand trägt persönlich so große Verantwortung wie Summers für die Gesetze, die seit den 1990er Jahren verabschiedet wurden und die in der Folge zum größten Finanzkrach aller Zeiten geführt haben. 1999 wurde Summers als Nachfolger des Wall-Street-Bankers Robert Rubin zum Finanzminister der Regierung Bill Clinton berufen. Als Minister formulierte er die entscheidenden Gesetze, die der Korruption und finanziellem Missbrauch an der Wall Street Tür und Tor öffneten. 1999 bewog er als Minister den Kongress zur Zustimmung für ein neues Gesetz, durch das ein anderes Gesetz aus dem Jahr 1933 außer Kraft gesetzt wurde. Dieses Gesetz, der
Glass-Steagall Act, war während der Großen Depression in Amerika erlassen worden. Danach durften Banken nicht gleichzeitig normale Kredite an ihre Kunden vergeben und Aktien, Anleihen oder Versicherungen verkaufen.
Das Gesetz wurde verabschiedet, um dem Interessenkonflikt betrügerischer Wall-Street-Banken in den 1920er Jahren Einhalt zu gebieten, der zum großen Börsenkrach von 1929 und der nachfolgenden Depression geführt hatte. Nachdem der Kongress für die Aufhebung des
Glass-Steagall-Gesetzes votiert hatte, erklärte Summers vor der Presse: »Der Kongress hat dafür gestimmt, die Regeln für Finanzdienstleistungen, die seit der Großen Depression galten, den heutigen Erfordernissen anzupassen, sie durch ein neues System für das 21. Jahrhundert zu ersetzen.
Dieses historische Gesetz wird die Konkurrenzfähigkeit amerikanischer Unternehmen in der Neuen Ökonomie verbessern.«
Die Entscheidung, das
Glass-Steagall-Gesetz von 1933 außer Kraft zu setzen, veranlasste einige unabhängige Beobachter zu der düsteren Warnung, die Deregulierung der Wall Street werde das Finanzsystem des Landes eines Tages ins Chaos stürzen. Die ursprüngliche Idee hinter
Glass-Steagall war gewesen, eine Trennung zwischen Bankern und Brokern würde die potenziellen Interessenkonflikte aufheben, die – wie man annahm – zu der spekulativen Aktienhausse vor der Depression beigetragen hatten. 30 Jahre lange sparten die Großbanken der Wall Street –
Citigroup, JPMorgan Chase, Bank of America, Goldman Sachs und andere – weder Geld noch Lobbyarbeit, um das Gesetz außer Kraft setzen zu lassen. Auch
Fed-Chef Alan Greenspan machte sich für die Aufhebung stark.
Durchgesetzt wurde sie schließlich von Summers als Clintons Finanzminister.
Nach der Aufhebung entstanden durch eine Reihe von Zusammenschlüssen und Übernahmen, die ja jetzt legal waren, die »Mega-Banken« mit Bilanzsummen, die das BIP der meisten Länder überstiegen – Banken, die Summers, Greenspan und andere für »zu groß, um bankrottzugehen« hielten. Summers war auch der Schlüsselmann, der eine staatliche Regulierung von Finanzderivaten und forderungsbesicherten Wertpapieren verhinderte, die die Ursache für den Finanzkrach von 2007/2008 waren. 1998 hatte Summers als Vize-Finanzminister Maßnahmen blockiert, mit denen Brooksley Born, die Vorsitzende der
Commodity Futures Trading Commission [eine US-Behörde, die die Future- und Optionsmärkte reguliert] den Derivatemarkt regulieren wollte.
2009, als Obamas führender Wirtschaftsberater, kassierte Summers Millionen von Dollar an Vortragshonoraren von denselben Hedgefonds und Wall-Street-Banken, denen mit staatlichen Geldern aus der Patsche geholfen wurde. Während seiner Tätigkeit in Washington verdiente er 7,7 Millionen Dollar von der Finanzindustrie, ein Interessenkonflikt, der von Obama ignoriert wurde. Sein Job bestand darin, den Präsidenten über die Lösung der Finanzkrise zu beraten,
und sein Rat entsprach stets der Sicht der Wall-Street-Banken. Seit seinem Ausscheiden aus der Regierung hat Summers für den Hedgefonds
D. E. Shaw & Co. und für die
Citigroup gearbeitet, eine der größten und korruptesten Banken. Als einzig Positives lässt sich über das gesamte Summers-Debakel sagen, dass ein paar Kongressabgeordnete dieses eine Mal das Richtige sagten und taten. Ein Senator, der gegen Summers opponierte, betonte: »Wenn Sie jemanden auf einen Regulierungsposten ernennen, der sich Zeit seines Lebens der Deregulierung verschrieben hat, und Sie glauben, dass Regulierung zur Verhinderung von Betrug, Missbrauch, Manipulation usw. notwendig ist, dann stellen sich doch wohl so manche
Fragen: Warum soll ausgerechnet dieser Mann der Richtige sein?«