Schwarze Löcher: Neue Enthüllungen zu den Energiemonstern
Sie sind unheimlich, fantastisch und rätselhaft – Kollapsare, besser bekannt als »Schwarze Löcher«. Auch heute bleiben viele Geheimnisse um sie ungeklärt, doch dieser Monat brachte unerwartete Neuigkeiten zu diesen kosmischen Materiefallen.

Schwarze Löcher beflügeln die Fantasie von Wissenschaftlern und Romanautoren, scheinen doch kaum faszinierendere Objekte in den Tiefen des Alls zu existieren. Im Dunkel des Raumes lauern finstere Materiefallen, um in unstillbarer Gier jedes interstellare Opfer in sich hineinzusaugen, sofern es ihnen nur etwas zu nahe kommt.
Nichts kann diesem apokalyptischen Strudel entgehen. Was in seinen Bann gerät, verschwindet nach aller Regel auf Nimmerwiedersehen. Außerdem ist es bei stellaren Schwarzen Löchern völlig egal, womit sie »gefüttert« werden. Alles würde in einen ultradichten Materiebrei verwandelt werden. Da würden gegebenenfalls auch Hochhäuser, Autobusse, Bäume, Katzen, Hunde oder Menschen keinen Unterschied mehr machen.
Schwarze Löcher sind auch in der Realität nicht wählerisch, sie zählen zu den Allesfressern des Universums und wachsen, was das Zeug hält. Das konnten jetzt auch australische Astrophysiker bei galaktischen Schwarzen Löchern bestätigen, wobei die Forscher vor allem feststellen mussten: Diese Fässer ohne Boden wachsen sogar viel schneller als bisher erwartet. Professor Alister Graham und seine Kollegen von der Swinburne-Universität haben insgesamt 72 Galaxien genau untersucht, um dem Fressverhalten der größten Exemplare jener unheimlichen kosmischen Staubsauger auf die Spur zu kommen. Die bemerkenswerten Ergebnisse sind bereits zum Abdruck im renommierten Fachblatt
Astrophysical Journal genehmigt.
Wie die Astrophysiker fanden, wachsen zentrale Schwarze Löcher in Galaxien rund zehnmal so schnell wie die Sternsysteme selbst. In unserer und anderen Milchstraßen steht das Gas entweder zur Bildung neuer Sterne zur Verfügung oder dient dazu, das zentrale Schwarze Loch zu füttern. Bisher gingen Fachleute davon aus, dass für jeden Prozess ein fester Anteil an Gas zur Verfügung steht, wobei das Verhältnis zwischen dem stellaren Massenanteil einer Galaxie und der Masse ihres zentralen Kollapsars gleich bleibt.
Diese Vorstellung muss nun über den Haufen geworfen werden. Wächst die in Sternen gebundene Masse innerhalb einer bestimmten Zeitspanne um das Zehnfache, dann nimmt die Masse des zentralen Schwarzen Lochs im gleichen Abschnitt um das Hundertfache zu. Außerdem stellten Graham und seine Arbeitsgruppe fest, dass die dicht gepackten Sternhaufen in den Zentralregionen kleinerer Galaxien sowie auch bei Scheibengalaxien ähnlich unserer Galaxis langsamer wachsen. Auch hier bestand die nunmehr wohl überholte Ansicht, diese Sternhaufen stellten einen konstanten Anteil von 0,2 Prozent der Galaxienmasse. Die australischen Forscher konnten hingegen zeigen: »Je kleiner die Galaxie, desto größer ist der Anteil an Sternen in diesen dichten, kompakten Sternhaufen«, so erläutert Nicholas Scott, Koautor der neuen Studie. Er ergänzt: »In den Galaxien niedrigerer Masse dominieren die Sternhaufen tatsächlich über die Schwarzen Löcher und können bis zu einer Million Sterne enthalten.« Die dichten Sternhaufen könnten allerdings das rasante Wachstum der galaktischen Schwarzen Löcher erklären, die umliegende Sonnen offenbar in großer Zahl verschlingen. Schließlich sind Sterne in diesen Regionen dicht gesät.

Solche Zusammenhänge bringen vielleicht auch Licht ins allgemeine Dunkel eines anderen Rätsels zu den Kollapsaren. In etlichen kleineren Galaxien werden nämlich Strahlungsverhältnisse gefunden, die auf ein zentrales Schwarzes Loch hindeuten, ohne dass ein solches nachgewiesen werden konnte. Bisher sind neben den viel kleineren stellaren Schwarzen Löchern nur Exemplare mit Massen im Bereich zwischen einigen Millionen und einigen Milliarden Sonnenmassen bekannt. Dazwischen liegt das unbekannte Reich der intermediären Schwarzen Löcher – eben solcher ultrakompakter Objekte, die mittlere Massen besitzen. In Zukunft dürften noch größere optische Systeme in der Lage sein, diese fehlenden Bindeglieder im Zoo der Fressfallen nachzuweisen. Schwarze Löcher sind echte Extremobjekte und bleiben vielfach obskur. Sie lassen sich nur indirekt nachweisen, beispielsweise durch intensive Röntgenstrahlung, wie sie direkt oberhalb der düsteren Sphären entsteht, während relativistisch beschleunigtes Gas auf sie zu wirbelt. Dort kommt es auch zu riesigen Jetströmen, die in entgegengesetzte Richtungen ins All hinaus schießen und die aktive Phase des Kollapsars begleiten. Offenbar drängen sie umliegende Materie schließlich nach außen weg, so dass dem Schwerkraftmonster die Nahrung ausgeht. Daraufhin verfällt es in eine inaktive Phase; die Jets brechen zusammen, neue Materie beginnt einzufallen und der Zyklus startet aufs Neue.
Doch zu keinem Zeitpunkt kann dem Schwarzen Loch selbst elektromagnetische Strahlung entweichen, zumindest nicht ab dem Ereignishorizont, einer durch den berühmten Schwarzschildradius bestimmten Sphäre um das Zentrum des Objekts. Wenn auch etwas unkorrekt, aber zumindest einigermaßen anschaulich gesagt, erreicht die nötige Entweichgeschwindigkeit genau an dieser Grenzfläche die Lichtgeschwindigkeit. Deshalb kann nichts, nicht einmal mehr Licht, von einem weiter innen liegenden Punkt entkommen. Die Gravitation überwiegt hier alle anderen Kräfte.
Übrigens müssen Schwarze Löcher keineswegs immer eine extrem hohe Dichte aufweisen. Je massereicher sie sind, desto geringer darf sie ausfallen, um immer noch zum gleichen unglaublichen Ergebnis zu führen. Der Schwarzschildradius ist proportional zur Masse eines Kollapsars. Außerdem ist die Dichte logischerweise proportional zur Masse geteilt durch die dritte Potenz des Radius. Aus beidem folgt unmittelbar: Die Dichte, die zur Bildung eines Schwarzen Lochs erforderlich wird, ist ihrerseits umgekehrt proportional zum Massenquadrat. Genau wie bei der Bestimmung des Schwarzschildradius wird der Proportionalitätsfaktor durch die Gravitationskonstante und die Lichtgeschwindigkeit bestimmt, nur in einem deutlich veränderten Term. Wer ein wenig herumrechnet, findet schnell, dass die riesigen

Schwarzen Löcher in Zentren von Galaxien eine mittlere Dichte aufweisen, die lediglich derjenigen von Wasser oder sogar noch weit weniger entspricht! Bei stellaren Schwarzen Löchern ist das anders.
Sie zeichnen sich tatsächlich durch eine enorm hohe Dichte aus. Sofern sie rotieren, elektrisch aber neutral sind und damit der Kerr-Metrik als wohl realistischster von vier theoretisch möglichen Grundtypen von Schwarzen Löchern gehorchen, fällt auch die sonst notwendige Verdichtung auf eine lediglich mathematisch beschreibbare Singularität als geometrischem Punkt weg. Diese Singularität kann man sich nicht mehr annähernd vorstellen, spätestens hier würde auch jede physikalische Theorie enden. Kerr-Löcher besitzen jedoch keine Singularität, sie bieten zudem rein theoretisch sogar die Möglichkeit für Zeitreise-Phänomene.
Eine ganz andere Zeitreise führt ins 8. Jahrhundert nach Christus und möglicherweise ebenfalls zu Schwarzen Löchern. Wie der japanische Physiker Fusa Miyake von der Universität Nagoya im vergangenen Jahr nachwies, finden sich in Baumringen hohe Werte der Isotope Kohlenstoff 14 und Beryllium 10. Etwa gegen 774 oder 775 nach Christus muss es demnach einen ungewöhnlichen Strahlungsausbruch gegeben haben. Denn die gefundenen Isotope entstehen beim Aufprall kosmischer Strahlung auf den Luftstickstoff. Nahe Supernova-Sternexplosionen senden einen Schwall energiereicher Strahlung ins All hinaus und machen sich auch auf der Erde bemerkbar. Allerdings gibt es keinerlei alte Aufzeichnungen aus jener Zeit. Ein solches Ereignis wäre jedoch sicherlich bemerkt worden, als extrem heller »neuer« Stern am Himmel. Was könnte es sonst gewesen sein? Professor Miyake dachte über einen intensiven Flare-Ausbruch auf der Sonne nach, doch nach landläufiger Ansicht dürfte selbst der mächtigste Ausbruch dieser Art bei weitem nicht ausgereicht haben, um solche Spuren zu hinterlassen. Außerdem wären wohl helle Polarlichter beobachtet worden.
Nur gibt es auch hierzu keinerlei Überlieferungen – bis auf eine Ausnahme. Sie verfehlt allerdings das Zeitfenster um ein Haar. Oder besser gesagt um ein Jahr: Für 776 n. Chr. verzeichnet eine angelsächsische Chronik das Erscheinen eines »Roten Kruzifixes« am Himmel. Wohl ein atmosphärisches Phänomen, vielleicht ein ungewöhnliches Polarlicht. Einige Forscher vermuteten sogar eine Supernova. Doch passt das Datum eben nicht. Und knapp verfehlt ist bekanntlich auch daneben. Die deutschen Astronomen Valeri Hambaryan und Ralph Neuhauser haben diesen Monat eine neue Studie vorgelegt, die das Geheimnis jenes mittelalterlichen Ereignisses lüften könnte. Sie gehen von einem Gamma Ray Burst (GRB) aus, einem kurzen, besonders intensiven Strahlungsausbruch im energiereichsten Bereich des elektromagnetischen Spektrums. Wenn zwei kompakte Sternüberreste, wie weiße Zwergsterne, Neutronensterne oder eben stellare Schwarze Löcher, kollidieren und verschmelzen, wird dabei ein Teil der Energie in Form von Gammastrahlung ausgesendet.
Solche Ereignisse werden häufig beobachtet, wenn auch in fremden Galaxien, und dauern in der Regel nur zwei Sekunden lang an. Während der Gammablitz äußerst heftig ausfällt, bleibt ein analoges visuelles Aufleuchten großteils aus. Das Szenario würde auch erklären, warum keine alten Aufzeichnungen gefunden werden konnten. Nur bei einem sehr nahen Gammablitz hätte vielleicht ein auffallendes Leuchten im sichtbaren Bereich auftreten können, mit einer Dauer von wenigen Tagen. Doch allzu nah durfte der GRB nicht stattfinden, denn sonst wäre es um das Leben auf der Erde geschehen gewesen. Zumindest hätte es massive Auswirkungen auf die gesamte Biosphäre gegeben. Daher gehen die Astronomen davon aus, dass jenes Ereignis von 774/75 in einer Distanz zwischen etwa 3.000 und 12.000 Lichtjahren stattgefunden hat. In unseren Tagen würde selbst ein etliche Tausend Lichtjahre entfernter GRB für weitreichende Schäden an elektronischen Systemen sorgen. Astrophysiker wollen in Zukunft mehr über solche Kollisionen stellarer Extremobjekte herausfinden und vor allem auch deren Häufigkeit ermitteln. So halten uns Schwarze Löcher & Co. weiterhin in mannigfaltiger Weise auf Trab, während sie ihrer Lieblingstätigkeit nachgehen.