Interview mit dem präsidenten des amtsgerichts Wurde ihm der Wirbel um den Kunstfund in seiner Schwabinger Wohnung zu viel?
Cornelius Gurlitt, der heute 81 wird, liegt in einer Klinik irgendwo in Deutschland – der Ort ist geheim. Kurz vor Weihnachten stellte das für ihn zuständige Amtsgericht München Gurlitt unter Betreuung. Was bedeutet das? Und welche Auswirkungen hat es auf die Ermittlungen? Wir sprachen darüber mit Gerhard Zierl, dem Gerichts-Präsidenten.
-Herr Zierl, warum hat das Amtsgericht Gurlitt unter Betreuung gestellt?
Nicht die Justiz hat eine Betreuung für Gurlitt beantragt – sondern die Ärzte. So läuft das in den meisten Fällen, wenn Menschen nicht mehr in der Lage sind, sich um ihre Rechtsangelegenheiten zu kümmern. Das Schreiben der Mediziner ging an uns, Details kann ich wegen der Persönlichkeitsrechte nicht verraten. Jedenfalls ordnete eine Richterin als Eilmaßnahme eine vorläufige Betreuung an.
-Vorläufig?
Ja. Das ist so üblich. Die Richterin hat jetzt ausführliche Gutachten angefordert, wir haben zudem das Amtsgericht vor Ort um Amtshilfe gebeten, auch die kommunale Betreuungsstelle wird Herrn Gurlitt begutachten. Wenn das Ergebnis in vielleicht ein, zwei Wochen vorliegt, wird entschieden, ob die Betreuung weiterläuft.
-Wie stellt man denn fest, dass jemand ein Betreuungsfall ist?
Das ist unterschiedlich, aber oft geht das ungefähr so los: Die Person tätigt ihre monatlichen Geldüberweisungen nicht mehr. Sie holt die Post nicht mehr aus dem Briefkasten. Sie kauft tonnenweise Schokolade ein – aber nichts anderes.
-Wird Gurlitt dazu auch angehört?
Selbstverständlich. Das schreibt das Gesetz vor. Er könnte auch Beschwerde gegen die Betreuung einlegen.
-Was bedeutet denn der Ausdruck „Betreuung“ genau?
Es ist jetzt ein professioneller Betreuer für Herrn Gurlitt da, der zum Beispiel mit den Ärzten über schwierige medizinische Eingriffe reden könnte. Oder seine Rechtsgeschäfte für ihn erledigt.
-Kann man sagen, Gurlitt wurde entmündigt?
Den Begriff „Entmündigung“ gibt es seit vielen Jahren nicht mehr – seit Inkrafttreten des Betreuungsrechts. Der Gesetzgeber hat ihn umgetauft in „rechtliche Betreuung“, weil man die diskriminierende Bezeichnung vermeiden will.
-Also ist das nur ein netterer Ausdruck?
Nein. Der große Unterschied ist: Eine Entmündigung funktionierte nur ganz oder gar nicht. Das Betreuungsrecht macht es möglich, dass man differenziert – ob eine umfängliche Betreuung nötig ist, oder nur für Teilbereiche, zum Beispiel Vermögensangelegenheiten.
-Kann die Staatsanwaltschaft Augsburg weiter gegen Gurlitt ermitteln?
Ja, das läuft parallel. Eine Betreuung, die Ende 2013 angeordnet wurde, hat mit der Frage des Strafverfahrens, in dem es um mögliche Taten, die zuvor begangen wurden, nichts zu tun.
-Aber kann denn ein Gerichtsverfahren gegen Gurlitt eröffnet werden, wenn er betreut wird und zum Beispiel nicht einmal mehr einen Kaufvertrag unterschreiben darf?
Im Prinzip ja. Freilich hängt das vom Sachverhalt ab. Wenn jemand unter Betreuung ist, weil er dement ist, macht ein Prozess keinen Sinn. Ob jemand aus gesundheitlichen Gründen verhandlungsunfähig ist, wird im Einzelfall entschieden. Auch bei Herrn Gurlitt.
-Geht es Cornelius Gurlitt so schlecht, weil ihm der Wirbel um seine Bilder zugesetzt hat?
Dazu müsste ich mit ihm gesprochen haben. Ich mische mich da nicht ein, das ist die Sache der zuständigen Richterin.
-Es gibt Gerüchte, der Freistaat Bayern habe die Betreuung angeordnet, damit er sich Gurlitts Kunstschätze unter den Nagel reißen kann.
Das ist völliger Unsinn. Seine Eigentumsrechte sind von der Betreuung überhaupt nicht beeinträchtigt. Es geht jetzt nur um die Person Gurlitt – und seine Gesundheit.
Quelle:
http://www.ovb-online.de/bayern/gurl...t-3290071.html