Burgenlands LH Niessl soll von einem Industriellen 10.000 Euro im Kuvert angenommen haben
8.2.2014, 08:48
Der burgenländische SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl soll vom Tiroler Industriellen Manfred Swarovski vor vier Jahren Geld im Kuvert erhalten haben. 10.000 Euro. Niessl bestreitet das.
Von Michael Nikbakhsh
Das „Komturkreuz des Landes Burgenland“ ist eine der höchsten Auszeichnungen, welche das Bundesland zu vergeben hat. Ein „vierteiliges Kreuz, mit acht Spitzen, golden bordiert, Felder rot transparent emailliert, zwischen den Kreuzteilen aufstrebender Lorbeer, überhöht durch das burgenländische Landeswappen auf Email gemalt und vergoldet“, wie es im Amtsdeutsch heißt. Tragen dürfen es konsequenterweise nur jene, die durch „öffentliches oder privates Wirken besondere Leistungen für das allgemeine Wohl vollbracht oder sonst das Ansehen und die Entwicklung des Landes Burgenland gefördert haben“.
Die Liste der Komturkreuzträger und -innen ist lang – und kunterbunt: der Maler Gottfried Kumpf etwa, der ehemalige Bank-Austria-Generaldirektor Gerhard Randa, Ex-Verbund-Chef Hans Haider, Vorarlbergs Landeshauptmann a. D. Martin Purtscher, der einstige Wiener Bürgermeister Helmut Zilk (†), die legendäre Grande Dame der Oesterreichischen Nationalbank Maria Schaumayer (†) oder Harald Serafin, der den Achtzack am Bande gar zweimal erhalten hat.
2011 wurde der Zirkel um eine Persönlichkeit erweitert, die dem Land Burgenland im Allgemeinen und SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl im Besonderen seit Jahren eng verbunden war: Manfred Swarovski, Spross der Tiroler Industriellenfamilie.
Ehre, wem Ehre gebührt
„MS“, wie der heute 73-jährige Kommerzialrat gerufen wird, hatte der swarovskischen Glitzerwelt bereits in den 1970er-Jahren entsagt und sein eigenes Unternehmen aufgezogen: Swarco – ein mittler*weile international tätiger respektabler Verkehrstechnik-Konzern. Ampelanlagen, Straßen*beleuchtung, Fahrbahnmarkierungen, Informationstechnologie für den öffentlichen Nahverkehr, Verkehrsüberwachung sowie Leitsysteme aller Art. Rund 2500 Mitarbeiter weltweit erwirtschafteten zuletzt fast 500 Millionen Euro Umsatz.
Im Jahr 2000 hatte Swarco ins mittelburgenländische Neutal im Bezirk Oberpullendorf expandiert – und nahe der Burgenland-Schnellstraße S31 ein Werk auf die grüne Wiese gestellt. Hunderte neue Arbeitsplätze in einer der nicht eben strukturstärksten Regionen des Landes.
Ehre, wem Ehre gebührt.
Am 11. April 2011 heftete Niessl dem Unternehmer im Rahmen einer großen Zeremonie im Sitzungssaal des Eisenstädter Landtags das Komturkreuz persönlich ans Revers. Und vergaß dabei nicht, Swarovskis Verdienste um das wirtschaftliche Fortkommen des Landes ausführlich zu würdigen.
Heute, fast drei Jahre später, lastet auf Niessl ein schwerwiegender Verdacht.
Vor mittlerweile zwei Wochen ereilte die Redaktion eine anonymisierte Information, die zunächst schwer zu glauben war. Der Industrielle Manfred Swarovski habe dem Landeshauptmann des Burgenlandes um den Jahreswechsel 2009/2010 eine fünfstellige Summe in die Hand gedrückt. 10.000 Euro in einem Kuvert. Überreicht anlässlich eines Besuches von Niessl in der Swarco-Konzernzentrale am Blattenwaldweg Nummer 8 in Wattens.
Im Zuge weiterführender Investigationen stieß profil allerdings auf eine mit dem Vorgang vertraute Person, die das tatsächlich bestätigt: „Ihre Recherchen sind zutreffend. Herr Niessl hat von Herrn Swarovski in Wattens persönlich 10.000 Euro in bar erhalten.“
Aus rechtlichen Erwägungen nennt profil weder den Namen der Person noch deren Funktion. Sie hat sich aber schriftlich bereit erklärt, im Rahmen eines gegebenenfalls gegen profil angestrengten Gerichtsverfahrens im Zeugenstand unter Wahrheitspflicht auszusagen.
Nach diesen Informationen hätte der amtierende Landeshauptmann des Burgenlandes einen Industriellen in Tirol aufgesucht und von diesem Bargeld angenommen. Von einem Industriellen also, der geschäftliche Interessen im Burgenland verfolgt.
Handelte es sich um eine verdeckte Parteispende? Oder um eine kleine Aufmerksamkeit unter alten Bekannten? Vielleicht auch mehr? War es die erste Geldübergabe dieser Art? Gab es vielleicht noch andere?
profil hat beiden Herren Donnerstag vergangener Woche eine gleichlautende Anfrage übermittelt: Hat Landeshauptmann Hans Niessl jemals Bargeld von Manfred Swarovski erhalten?
Niessls Büroleiter Ronald Reiter reagierte ebenso prompt wie entschlossen: „Ich darf diese Frage namens des Landeshauptmannes mit einem klaren Nein beantworten. Der Landeshauptmann hat nie Bargeld von Herrn Swarovski erhalten.“
Manfred Swarovski blieb die Antwort bis Redaktionsschluss schuldig. Er sei „außerhalb Europas“ und habe „reisetechnisch sowie zeitzonenbedingt nicht permanenten Zugriff zu seinen E-Mails“, teilte sein Sekretariat mit.
Dass die behauptete Bargeldübergabe einen strafrechtlich relevanten, weil beispielweise korruptiven Hintergrund hatte, ist vorerst durch nichts belegt. Es hätte ja auch eine Parteispende sein können. Und das war damals und ist auch heute legal. Mit der Einschränkung, dass diese von der SPÖ zumindest anonymisiert zu melden gewesen wäre. Was nicht geschah. Wie denn auch? Niessl will ja gar kein Geld erhalten haben.
Sollte die Berichterstattung allerdings in eine rechtlichen Auseinandersetzung münden und der Wahrheitsbeweis vor Gericht erbracht werden, hätte der burgenländische Landeshauptmann ein doppeltes Problem. Er hätte dann nicht nur Geld im Kuvert angenommen – sondern öffentlich auch noch die Unwahrheit darüber gesagt.
Achse Wattens-Eisenstadt
Tatsache ist, dass die Achse Wattens-Eisenstadt bereits vor knapp mehr als zehn Jahren geschmiedet wurde. 1999 beschloss Swarovski, die in der Tochtergesellschaft Swarco Futurit gebündelte Produktion sogenannter optischer Signalgeber (Ampeln, elektronische Verkehrszeichen, Eisenbahnsignale) vom niederösterreichischen Am-stetten ins burgenländische Neutal zu verlegen.
Landeshauptmann des Burgenlands war damals noch Karl Stix, Niessls Vorgänger. Im Juni 1999 verkündete Stix höchstselbst den unmittelbaren bevorstehenden Spatenstich für das Werk, das fortan 100 Mitarbeiter beschäftigen sollte, heute sind es derer 170. Die Gesamt-investitionen bezifferte der Landeshauptmann seinerzeit mit 130 Millionen Schilling – zum späteren Wechselkurs: 9,5 Millionen Euro. Das Land Burgenland ließ sich allerdings nicht lumpen: Aus dem (2006 endgültig ausgelaufenen) Ziel-1-Programm der Europäischen Union wurden öffentliche Subventionen in der Höhe von 45 Millionen Schilling (3,3 Millionen Euro) zugesagt. Also immerhin ein Drittel der gesamten Projektkosten. „Standortvorteile haben uns ins Burgenland gezogen“, verriet der damalige Swarco-Manager Friedrich Hofstadler dem „Wirtschaftsblatt“ im August 1999.
Ein Jahr später, im September 2000, wurde das Werk Neutal feierlich eröffnet – natürlich im Beisein des Landeshauptmannes. „Swarco Futurit ist genau so ein Unternehmen, das wir in Zukunft im Burgenland brauchen“, schwärmte Stix damals.
Im Dezember 2000 wurden im Burgenland vorgezogene Neuwahlen abgehalten (eine Folge des Debakels der burgenländischen Landeshypo), die der SPÖ trotz des völligen Kontrollversagens in der Landesbank sogar leichte Zuwächse brachten. Am 28. Dezember 2000 übergab Stix (er verstarb 2003 an Krebs) das Zepter an Hans Niessl. Der Volks- und Hauptschullehrer war 1996 in den burgenländischen Landtag gewählt worden, seit 1999 leitete er den SPÖ-Landtagsklub.
In den Jahren darauf machte Niessl Swarovski und dessen Neutaler Werk immer wieder die Aufwartung. So etwa anlässlich des fünfjährigen Jubiläums im September 2005; oder anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Swarco-Gruppe im Mai 2009; oder auch gemeinsam mit Bundespräsident Heinz Fischer im Jänner 2011. Und er soll zumindest einmal auch in Wattens vorbeigeschaut haben.
Wie sagte Niessl anlässlich der Verleihung des Komturkreuzes an Swarovski am 11. April 2011 so zutreffend: „Der Name Manfred Swarovski ist ein Synonym für Verkehrssicherheit geworden, von der letztlich alle Verkehrsteilnehmer profitieren.“
Als Verkehrsteilnehmer hat Niessl in jedem Fall von Swarovski profitiert. Auch als Politiker?