Es ist die Geschichte einer systematischen, brutalen und menschenverachtenden Zerstörung eines Kindes. Eine Geschichte, die überdeutlich zeigt, wozu Frauen und Männer in der katholischen Kirche fähig waren und wohl immer noch sind. Und wie sie damit ungeschoren davonkommen.
Ganz ruhig, mit fester Stimme rekapituliert König am Telefon sein Leiden in einem katholischen Kinderheim in Speyer. Immer wieder ist seine Wut zu spüren, darüber, allein gelassen worden zu sein. Vom Staat, den Behörden, von allen, die weggeschaut haben. Sein Fall ist in aller Munde, seit die Details der Verbrechen durch das Urteil publik wurden.
»Von drei Priestern gleichzeitig vergewaltigt«
Das Kind habe mit Bettnässen und Wutausbrüchen zu kämpfen – im Rückblick nur eine logische Folge der Quälerei, die Ben König laut eigenen Angaben erdulden musste: »Bis zu meinem Weggang im September 1972 bin ich etwa tausendmal sexuell missbraucht worden«, sagt er dem SPIEGEL.
Vor allem der damalige Generalvikar Rudolf Motzenbäcker habe sich regelmäßig an ihm vergangen. Aber auch externe Besucher hätten ihn auf sogenannten Sexpartys missbraucht, einmal sei er von drei Priestern gleichzeitig vergewaltigt worden. Er sei gedemütigt und geschlagen worden, habe schwerste Verletzungen davongetragen.
Auch andere Kinder seien betroffen gewesen, »die haben Mädchen und Jungs fast totgevögelt«, sagt König. Noch heute höre er das Wimmern und die Schmerzensschreie der Vergewaltigten. »Manchmal bin ich in blutverschmierter Kleidung zurück ins Heim gelaufen, mir lief das Blut die Beine herunter.«
Ein Mädchen sei 1970 geschwängert und eines Abends beim Essen vermisst worden. »Ich musste sie auf dem Speicher vom Balken schneiden«, erinnert sich König. Der heute 63-Jährige glaubt nicht an einen Suizid. »Da lag keine Steighilfe, wie hätte sie sich selbst erhängen können? Ich glaube, man wollte sie mundtot machen«, so seine Vermutung. Wochen vorher sei er mit dem Mädchen bei der Polizei und anderen Behörden gewesen, um den Missbrauch anzuzeigen, niemand haben ihnen geglaubt.
Besonders perfide scheint die Rolle der »Schwestern vom Göttlichen Erlöser« in dem Heim gewesen zu sein. Als Ministrant im Dom zu Speyer sei ihm Prälat Motzenbäcker als Beichtvater zugewiesen worden, berichtet König. Ein bis zweimal pro Monat sei er zum Zwecke des sexuellen Missbrauchs in die Wohnung des Geistlichen gebracht worden, die Nonnen hätten ihn »regelrecht hingeschleppt« – und bei Gegenwehr verprügelt.
Der Betroffene schildert auch sexuelle Übergriffe der Schwestern auf minderjährige Jungen. Etwa zehn Frauen seien zum Tatzeitpunkt in dem Heim beschäftigt gewesen. An ihre Namen erinnert sich König nicht – bei den Kindern hätten sie nur »Schwester Gnadenlos«, »Schwester Prügel« und »die Hexe« geheißen.
Bei den »Sexpartys« hätten die Frauen den Vergewaltigern Kinder zwischen 7 und 14 Jahren zugeführt und Getränke für teilweise stadtbekannte Gäste aus der Politik und Wirtschaft ausgeschenkt. Ihre Dienste hätten sie sich bar bezahlen lassen. Auch Hausbesuche seien organisiert worden. »Die Nonnen waren Zuhälterinnen«, so Königs Vorwurf.
Bei Ungehorsam seien die Kinder mit Stöcken geprügelt oder ihre Köpfe an die Wand geschlagen worden. Viele Opfer hätten versucht, sich das Leben zu nehmen, auch er selbst.
Kein Täter und keine Täterin wurden je zur Verantwortung gezogen. Der mutmaßliche Vergewaltiger Motzenbäcker starb im Jahr 1998. lm April 2012 hatte Ben König Strafanzeige gestellt, die Verfahren wurden aber wegen Verjährung eingestellt. Ein erster Antrag auf Hilfen nach dem Opferentschädigungsgesetz wurde 2017 zunächst abgelehnt.
Dass das Gericht in Darmstadt Ben Königs Ausführungen nun in weiten Teilen Glauben schenkte, lag auch daran, dass es mindestens zwei weitere Geschädigte gibt, die solche Vorgänge bezeugen. Einer von ihnen hat seinerseits eine Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz eingeklagt.
entnommen aus:
https://t.me/EvaHermanOffiziell/37003