Iran schickt eigene Schiffe nach Gaza - samt Militäreskorte
[size=130:2rjsb3hq]In den Konflikt um die blutige Erstürmung eines Hilfsflotten-Schiffes durch die israelische Armee und die Seeblockade des Gazastreifens schaltet sich jetzt auch der Iran ein. Der iranische Rote Halbmond werde zwei Schiffe mit Helfern und Hilfsgütern in das abgeriegelte palästinensische Gebiet schicken, gab Teheran am Montag bekannt. Provokativ: Die Schiffe sollen von einer Militäreskorte der Revolutionsgarden begleitet werden. Unterstützung durch die Elite-Einheit bietet der Iran - deklarierter Erzfeind Israels - darüber hinaus auch allen anderen Hilfsschiffen an.[/size]
Die Schiffe würden Ende der Woche in Koordination mit der türkischen Regierung auslaufen, sagte Abdolrauf Adibzadeh, der internationale Leiter des iranischen Roten Halbmondes (die muslimische Schwesterorganisation des Roten Kreuzes, Anm.), am Montag in Teheran. Eines der Schiffe werde Spenden der iranischen Bevölkerung, vor allem Medikamente und Nahrungsmittel, transportieren, das andere Helfer. Es handle sich dabei um Freiwillige, die im Gazastreifen "dem unterdrückten Volk des besetzten Palästina" helfen wollten.
Außerdem werde ein Flugzeug mit Hilfsgütern für die Bewohner des Gazastreifens nach Ägypten fliegen. Ein drittes Schiff, das mit einem kompletten OP-Saal ausgerüstet sein soll, werde zu einem späteren Zeitpunkt in das palästinensische Gebiet geschickt.
Der Iran hat bereits im Jahr 2008 einmal ein Hilfsschiff nach Gaza geschickt, war aber von der israelischen Armee gestoppt worden. Diesmal sollen die Schiffe von der iranischen Armee begleitet werden. Die paramilitärischen iranischen Revolutionsgarden stünden bereit, die Flotte durch die internationalen Gewässer zu eskortieren, hieß es in Teheran. Ali Shirasi, der Irans geistliches Oberhaupt Ajatollah Ali Khamenei innerhalb der Revolutionsgarden vertritt, kündigte dabei auch an, dass die Marineeinheiten der Revolutionsgarden auch von anderen Hilfsschiffen angefordert werden könnten.
Die Flotte der Revolutionsgarden - die allerdings hauptsächlich aus kleinen Schnellbooten (siehe Bild links) besteht - sei bereit, sämtliche Schiffskonvois mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu begleiten, sagte Shirasi. Aus dem iranischen Verteidigungsministerium hieß es am Montag, die Hilfsschiffe seien ein symbolischer Protest gegen die Seeblockade des Gazastreifens: "Wenn wir diese Kampagne weiter verfolgen, wird das Ergebnis die Kapitulation des Zionisten-Regimes Israels sein."
Erzfeinde Iran und Israel
Israel hat auf die Aussicht auf ein iranisches Militärschiff vor Gaza bislang nicht reagiert. Beobachter halten die Provokation - sofern sie wirklich erfolgt - jedoch für ausreichend, um eine vollständige Eskalation des Konflikts herbeizuführen. Der Iran und sein vermutetes Streben nach Atomwaffen ist neben der Bedrohung durch die im Gazastreifen regierende Hamas zentrales Thema der israelischen Verteidigungsbestrebungen. Israel bezichtigt den islamischen Gottesstaat, die Palästinenser zu radikalisieren, deren Milizen mit Waffen zu versorgen und einen Vernichtungskrieg zu planen.
Irans Präsident Mahmoud Ahmadinejad, dessen Land den Staat Israel nicht anerkennt, verurteilte die israelische Kommandoaktion vom vergangenen Montag als ein "Zeichen von Schwäche und Wahnsinn". Israels Premier Benjamin Netanyahu meinte wiederum am Sonntag, dass Israel die Einrichtung eines "iranischen Hafens" in Gaza nicht zulassen werde.
Türkei verstärkt Druck auf Israel für Untersuchung
Um eine internationale Untersuchung des militärischen Angriffs auf eine Gaza-Hilfsflotte zu erreichen, will die türkische Regierung indes den Druck auf Israel erhöhen. Außenminister Ahmet Davutoglu forderte Israel am Montag auf, der von UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon verlangten Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission zuzustimmen, "Sie haben keine Chance, vor dieser Kommission wegzurennen", sagte Davutoglu. "Wir erlauben niemandem, unsere Bürger zu töten." Bei der Operation im Mittelmeer waren neun pro-palästinensische Aktivisten, allesamt türkische Staatsangehörige, von israelischen Soldaten erschossen worden.
Davutoglu sprach auf dem von Staatspräsident Abdullah Gül eröffneten zweitägigen Gipfeltreffen der "Konferenz für Interaktionen und vertrauensbildende Maßnahmen" (CICA) zu Sicherheitsfragen in Istanbul. Der 2002 auf Initiative des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew gegründeten CICA gehören 20 Staaten an, darunter Russland, die zentralasiatischen Ex-Sowjetrepubliken, China, Indien, Pakistan, der Iran, Syrien, Israel und Palästina. Auch der afghanische Präsident Hamid Karzai, der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad und der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas nehmen an dem Gipfel teil. Israel sei eingeladen worden, mit seiner Teilnahme werde jedoch nicht gerechnet, hieß es.
Ankara hat die Gaza-Krise und die Lage in Afghanistan zum Testfall für die Organisation erklärt, die zuletzt 2006 einen Gipfel abgehalten hatte. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat Israel Staatsterrorismus vorgeworfen und den türkischen Botschafter aus Tel Aviv abgezogen. Israel hat seinen Soldaten indes Reisen in die Türkei untersagt und Offizieren vor Ort Zurückhaltung empfohlen.
Rockmusiker boykottieren Israel
Israel sieht sich seit der blutigen Schiffserstürmung zwar nicht mit internationalen Sanktionen konfrontiert, wohl aber mit einzelnen Boykotten. So haben seit Montag vergangener Woche zahlreiche internationale Musiker ihre Konzerte bzw. Festivalauftritte abgesagt, darunter die US-Band Pixies, Star-Gitarrist Carlos Santana, Gil Scott-Heron sowie die britischen Bands Gorillaz und Klaxons. Bereits im Mai stornierte Elvis Costello aus Protest zwei Tel-Aviv-Konzerte. Metallica, Placebo und RnB-Star Rihanna, die demnächst in Israel auftreten sollen, halten hingegen an ihren Plänen fest.
Auf diplomatischer Eben ist bisher nur Israels Staatspräsident Shimon Peres unter Druck geraten. Wegen des Vorfalls auf der "Mavi Marmara" wurde er von Südkorea informiert, dass seine geplante Visite in Seoul von einem Staatsbesuch zu einem Arbeitsbesuch herabgestuft worden sei. Im Präsidentschaftsbüro wird jetzt überlegt, die gesamte Asien-Tour von Peres abzusagen.
EU bietet sich als Kontrollor an
Die EU bemüht sich indes um eine Beruhigung des Konflikts und ein Ende der Seeblockade Gazas: Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner schlug vor, Schiffe auf dem Weg in den Gazastreifen durch EU-Behörden kontrollieren zu lassen. Voraussetzung sei, dass Israel seine Blockade beende, sagte Kouchner nach einem Treffen mit seinem britischen Ressortkollegen William Hague. Bereits in der Vergangenheit seien EU-Beobachter am Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen stationiert gewesen. Die EU sei gerne bereit, diese Frachtkontrollen wieder aufzunehmen. "Wir können das tun, wir wollen das tun und wir wären froh, das zu tun."
Quelle : Krone.at