Ein neu entdecktes Planetensystem stellt die natürliche Ordnung der Dinge auf den Kopf
Die Planetensysteme Trappist-1 und TOI-178 haben fast so viele Planeten wie unser Sonnensystem. Aber damit hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf.
Wenn Astronomen neue Planetensysteme entdecken, lautet die erste Frage unweigerlich: Wie sehr gleichen sie dem unsrigen? Zu gerne wüsste man, ob unser Sonnensystem das Resultat einer Entwicklung ist, die sich so ähnlich auch in der Umgebung von anderen Sternen abspielen kann. Ausschliessen lässt sich das nicht. Aber es scheint zumindest nicht die Regel zu sein. Zwei neue Untersuchungen zeigen vielmehr, wie unterschiedlich Planetensysteme sein können.
Zum Vergleich bietet sich etwa das vor einigen Jahren entdeckte Planetensystem Trappist-1 an. Es besteht aus sieben Planeten, die um einen roten Zwerg kreisen. So nennt man Sterne, die nicht annähernd so gross und heiss sind wie die Sonne. Im Unterschied zu unserem Sonnensystem besitzt Trappist-1 keine Gasplaneten wie Jupiter oder Saturn. Alle sieben Planeten bestehen aus Gestein und sind ungefähr so gross wie die Erde. Bereits das ist ungewöhnlich. Aber die Uniformität geht noch weiter. Wie
eine mehrjährige Untersuchung mit dem inzwischen abgeschalteten Spitzer-Teleskop der Nasa nun gezeigt hat, haben alle sieben Gesteinsplaneten annähernd die gleiche Dichte. Sie ist acht Prozent kleiner als die der Erde.
Dafür könne es mehrere Gründe geben, sagt Simon Grimm von der Universität Bern, der im Rahmen der Untersuchung das Innere der Planeten modelliert hat. Eine Möglichkeit bestehe darin, dass der Kern der Planeten weniger Eisen enthalte als der Erdkern. Die geringere Dichte könne aber auch daher rühren, dass das Innere der Planeten vollständig oxidiert sei, also aus Rost (Eisenoxid) statt aus Eisen bestehe. Schliesslich gibt es noch eine dritte Möglichkeit: Die Planeten könnten von Meeren bedeckt sein. Einige Gewichtsprozent Wasser würden genügen, um die geringere Dichte zu erklären. Zum Vergleich: Auf der Erde tragen die Meere nur 0,2 Prozent zur Masse bei.
Momentan sei es nicht möglich, zwischen diesen Hypothesen zu unterscheiden, sagt Grimm. Er baut auf das James Webb Space Telescope, das noch in diesem Jahr das Erbe des Hubble-Teleskops antreten soll. Damit werde sich die Dichte der sieben Planeten von Trappist-1 noch genauer eingrenzen lassen. Das erlaube dann eine differenziertere Aussage über ihre Zusammensetzung.
Ein synchroner Tanz
Noch ungewöhnlicher ist ein Planetensystem, das Forscher aus der Schweiz und anderen europäischen Ländern jetzt in der Fachzeitschrift
«Astronomy & Astrophysics» vorgestellt haben. Es besteht aus sechs Planeten, von denen fünf in einer sogenannten Resonanz gefangen sind. Das bedeutet, dass ihre Umlaufperioden aufeinander abgestimmt sind und in einem ganzzahligen Verhältnis zueinander stehen.
Diese Tatsache hatte zunächst Verwirrung gestiftet. Als man das Planetensystem TOI-178 zum ersten Mal beobachtete, glaubte man, es bestehe aus drei Planeten, von denen zwei ihr Muttergestirn versetzt, aber auf gleicher Bahn umkreisen. Um diese Vermutung zu bestätigen, wurde das Cheops-Teleskop der Europäischen Weltraumorganisation über einen Zeitraum von elf Tagen auf das Planetensystem gerichtet. Mit diesem massgeblich in der Schweiz entwickelten Teleskop lässt sich sehr präzise vermessen, wann ein Planet an seinem Muttergestirn vorbeizieht und dieses kurzzeitig verdunkelt.
Die Auswertung der Daten lieferte eine handfeste Überraschung. Nicht nur wurden zwei weitere Planeten entdeckt. Es zeigte sich auch, dass die Transits, die man einem der drei bereits bekannten Planeten zugeschrieben hatte, in Wirklichkeit von zwei Planeten stammten. Damit besteht TOI-178 mindestens aus sechs Planeten. Möglicherweise gibt es sogar einen siebten, der in der habitablen Zone seines Sterns kreist.
Wie die Auswertung der Daten zeigte, umkreisen die Planeten ihr Muttergestirn in einem festen Rhythmus. In der Zeit, die der äussere Planet für 3 Umläufe braucht, absolvieren die weiter innen liegenden Planeten 4, 6, und 9 beziehungsweise 18 Umläufe. Nur der innerste Planet tanzt aus der Reihe.
Man kennt das auch aus unserem Sonnensystem. Hier sind die drei Jupitermonde Io, Europa und Ganymed in einer Resonanz gefangen. Und im Planetensystem Trappist-1 sind sogar die Umlaufzeiten aller sieben Planeten synchronisiert. Solche Resonanzen seien ziemlich selten, sagt Yann Alibert von der Universität Bern, der an der Untersuchung beteiligt war. Ein Einschlag eines grossen Himmelskörpers genüge, um das harmonische Verhältnis zu stören. Folglich müsse sich das System seit seiner Entstehung vor einigen Milliarden Jahren relativ sanft entwickelt haben. Das könne man von unserem Sonnensystem nicht behaupten.
Artist’s animation of the TOI-178 orbits and resonances (sound on!)
Harmonisch und chaotisch zugleich
Gestört wird das harmonische Bild allerdings durch die chaotisch anmutende Verteilung der Planeten. Während die beiden innersten Planeten eine ähnliche Dichte wie die Erde besitzen, ist der nächste Planet nur halb so dicht wie der Gasplanet Neptun. Noch merkwürdiger ist, dass danach wieder zwei Planeten mit grösserer Dichte folgen. Damit ist die natürliche Ordnung von Planetensystemen auf den Kopf gestellt.
Normalerweise nimmt die Dichte von Planeten nämlich mit wachsendem Abstand zum Muttergestirn ab. Das liegt an den Temperaturunterschieden. Während das Gas der inneren Planeten mit der Zeit verdampft, behalten die äusseren ihre Gashülle bei. Es ist also kein Zufall, dass in unserem Sonnensystem die Gesteinsplaneten innen und die Gasplaneten aussen zu finden sind.
Warum das bei TOI-178 anders ist, ist bis jetzt ein Rätsel. Man habe es hier mit einem sehr widersprüchlichen Planetensystem zu tun, sagt Alibert: Auf der einen Seite sei es sehr harmonisch, auf der anderen aber auch chaotisch. Das lasse sich mit den gängigen Modellen der Planetenentstehung nicht so einfach vereinbaren. Gerade das macht TOI-178 aber so interessant. In ihrer Publikation vergleichen die Astronomen TOI-178 mit einem Rosettastein, der dabei helfen könnte, die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte von Planetensystemen zu entschlüsseln.