Erste Zelle mit künstlicher DNA
von Klaus Taschwer | 20. Mai 2010, 20:46

Sehen künstlich aus und sind es auch innen drin: die ersten Bakterien mit synthetischer DNA.
Dem Forscherteam um Gen-Pionier Craig Venter ist ein lange angekündigter Durchbruch mit einem Bakterium gelungen
Washington - "Das ist die erste synthetische Zelle, die jemals hergestellt wurde", posaunte Gen-Pionier Craig Venter stolz. Seine Begründung für die großspurige Ansage: Die Zelle habe eine völlig künstliche Erbsubstanz, die aus vier verschiedenen Chemikalien nach Informationen aus dem Computer hergestellt wurde.
Dem Team um den umstrittenen Forscher-Unternehmer ist damit ein lange angekündigter Durchbruch gelungen, der vor allem aus zwei Pionierleistungen besteht: Einerseits bauten sie ein immerhin aus über einer Million Basenpaaren bestehendes Bakterien-Erbgut. Andererseits konnten sie es in einem anderen Bakterium auch "hochfahren".
Für das Zusammenbauen verwendeten die Bio-Ingenieure einen Trick: Sie schleusten kürzere DNA-Schnipsel in Hefezellen ein, deren Enzyme für das Zusammenbauen sorgten. Anschließend wurde die solcherart hergestellte DNA des Bakteriums M. mycoides in einem anderen Bakterium, M. capricolum, zum Laufen gebracht, wie Venter und Kollegen im Wissenschaftsmagazin Science (online) schreiben.
Für Venter stellt dieses von einem künstlichen Genom gesteuerte Bakterium, das sich auch vermehren kann, "einen wissenschaftlich und philosophisch wichtigen Schritt dar". Und es habe seine Ansichten über die Definition von Leben verändert.
Beobachter aus Österreich sind nicht ganz so euphorisch. Für den Mikrobiologen Michael Wagner stellt Venters neueste Errungenschaft nichts "absolut Neues" dar. Und ob damit "künstliches Leben" geschaffen wurde, bleibt für ihn eine offene Frage.
Technikfolgenabschätzer Helge Torgersen, der gerade ein Projekt über synthetische Biologie abschloss, sieht zwar einen wichtigen Durchbruch auf dem Weg zur völlig künstlichen Zelle. Der Weg bis dahin sei aber immer noch weit. Und entsprechend plädiert er dafür, die allzu vollmundigen Versprechen nicht ganz ernst zu nehmen. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21. Mai 2010)
Quelle : derStandart.at