Student in der Flutkatastrophe
Uni unter in Bangkok
Das Hochwasser überraschte Dominik Köppl, 24, während seines Auslandsstudiums in Bangkok. Er reiste nicht ab, sondern packt Hilfspakete und füllt Sandsäcke. Am Strand liegen wollte er nicht, während sein Gastgeberland davonschwimmt - und so lange es Strom gibt, wird er bleiben.
Die braune Brühe steht mir bis über die Hüfte. Sonst ist die Straße vor unserem Haus mit Menschen, Taxis und Tuk-Tuks überfüllt, seit das Wasser steigt und steigt, fahren nur noch Militärlastwagen und zu Booten umfunktionierte Badewannen.
Ich wate zum nächsten Laden, um Wasser zu kaufen. Die Bewohner Bangkoks bunkern Wasserflaschen und Fertignudeln, Milch, Eier, Babynahrung - auch Batterien und Toilettenpapier sind begehrt. Viele Läden sind deswegen leer, nur ein paar Kaugummis und Softdrinks stehen noch in den Regalen. Auf einer Brücke zum nächsten Laden mit Wasservorräten haben Thailänder ihre Autos geparkt - in der Hoffnung, dass sie hier nicht untergehen.
Seit August studiere ich im Rahmen eines Austauschprogramms für ein Semester Volkswirtschaftslehre an der Thammasat-Universität in Bangkok. Nachdem ich schon in Deutschland, Südafrika und Dänemark studiert habe, wollte ich Asien kennenlernen. Die Uni hat einen hervorragenden Ruf, bietet Programme auf Englisch an und liegt in der Altstadt zwischen dem Touristen-Highlight Königspalast und der Backpacker-Meile Khao-San-Road. Perfekt, dachte ich. Anfangs machte ich mir Sorgen wegen der Wahlen im Sommer. Ich hatte mit politischen Unruhen gerechnet, nicht mit einer Naturkatastrophe.
Niemand weiß, wann die Uni wieder öffnet
In den ersten beiden Monaten reiste und feierte ich viel, ganz so wie ich mir das für mein Auslandssemester in Thailand vorgestellt hatte. Mein Master an der Thammasat-Universität ist ein Teilzeit-Programm, das heißt die meisten Studenten arbeiten Vollzeit und studieren in der Freizeit. Die Vorlesungen sind meist spät abends und am Wochenende. Unter der Woche reisten wir zu Inseln im Süden, zu den Tempeln in Ayutthaya und zu den weltbekannten Wasserfällen in Kanchanaburi. Viele Austauschstudenten nutzten die billigen Flüge innerhalb Südostasiens für Kurztrips in andere Länder.
Es gab schon zu Anfang meiner Zeit hier vereinzelt Überschwemmungen in Thailand, aber niemand von uns rechnete damit, dass die Hauptstadt überschwemmt werden könnte. Schließlich ist Bangkok eines der wichtigsten Wirtschaftsstandorte des Landes. Der Stadt kann nichts passieren, weil nichts passieren darf, dachten wir.
Seit August habe ich an der Uni erst einen Kurs besucht. Seit ungefähr zwei Wochen ist die Uni, die direkt am Fluss liegt, geschlossen. Niemand weiß genau, wann sie wieder öffnet. Gerüchten zufolge, könnte die Uni sogar das ganze Semester geschlossen bleiben.
Uni überschwemmt, Krokodile im Fluss
Wir bekommen nur spärlich neue Informationen, zudem sind sie oft widersprüchlich: Mal heißt es, die richtige Flutwelle kommt am nächsten Tag und nichts passiert. Am Tag darauf kann es genau andersherum sein. Auch wenn die Politiker beteuerten, Bangkok sei sicher, ahnten wir, dass das nicht stimmt, denn schon vor Wochen haben Ladenbesitzer die ersten Sandsack-Barrikaden vor ihren Geschäften aufgebaut.
In den vergangenen Tagen und Wochen haben viele Austauschstudenten freiwillig gearbeitet. Wir halfen beispielsweise auf dem zweiten Campus unserer Uni: Er wurde zum Auffanglager für mehrere tausend Flüchtlinge umfunktioniert. Wir packten Essensrationen für den Norden Bangkoks, der sehr stark von der Flut betroffen ist, und füllten Sandsäcke. Allerdings ist inzwischen auch der zweite Campus überschwemmt und musste evakuiert werden, auch dabei haben wir geholfen.
Normalerweise sollte man mit dem Wasser nicht in Berührung kommen. Reiseführer warnen ausdrücklich davor, wie die thailändischen Kinder im Fluss oder einem der Kanäle zu baden. Jetzt ist das Wasser überall. Es schwimmt Müll drin und Schlangen. Ein anderer Austauschstudent will sogar schon Krokodile im Fluss gesehen haben, der durch Bangkok fließt. Mehrere hundert Krokodile sollen während der Überschwemmungen aus einer Krokodil-Farm nördlich von Bangkok ausgebrochen sein. Die Regierung hat inzwischen für jedes gefangene Krokodil eine Belohnung von 1000 Bath, das sind knapp 25 Euro, ausgelobt.
Inzwischen steht das Wasser teilweise über einen Meter hoch, in manchen ärmeren Vierteln an den vielen Kanälen Bangkoks sogar noch deutlich höher. In diesen Gebieten sind Häuser schon seit Wochen überflutet. Weil sie auf Stelzen über dem Wasser gebaut sind, können Sandsäcke sie nicht schützen. Viele ehemalige Bewohner schlafen nun dort, wo sie eine trockenen Platz finden. Einige legen sich nachts auf Brücken, um vor dem Wasser sicher zu sein.
Fällt der Strom aus, brauche ich einen Plan B
Nicht alle Viertel sind betroffen, im Geschäftsviertel von Bangkok liegen zwar Sandsäcke, aber alles ist trocken. Während es in unserem Viertel kein Wasser und keine Fertignudeln mehr gibt, könnte ich in den Edelsupermärkten im neuen Zentrum von Bangkok Wasser aus Fiji und Steaks aus Japan für 30 Euro pro 100 Gramm kaufen.
Zuletzt ist das Wasser bei uns aber derart schnell gestiegen, dass viele Panik bekommen haben: Von 75 Austauschstudenten in unserem Hotel in Bangkok Noi, am Westufer des Flusses Chao Phraya, sind nur noch eine Handvoll geblieben. Vor allem die Eltern der Austauschstudenten sorgen sich sehr. Viele Heimatuniversitäten haben ihre Studenten auch in andere Teile Thailands geschickt oder sogar nach Hause geholt.
Ich werde nicht abreisen, auch wenn ich zugeben muss, dass mich die Situation stresst und ich schon länger nicht mehr durchgeschlafen habe. Ich bleibe hier, um über die Situation zu bloggen und zu helfen. Ich will nicht am Strand in der Sonne liegen, während große Teile des Landes überschwemmt sind.
Wenn das Wasser noch weiter steigt, wird im Ernstfall der Strom abgeschaltet. Damit gäbe es kein Leitungswasser mehr, weil die Versorgung in den meisten Häusern an elektrischen Pumpen hängt. Wenn es so weit kommt, muss auch ich mir einen Plan B überlegen.
http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,794428,00.html